Profimannschaft |

16.01.2020

Stöger: „Der Glaube muss größer sein als die Hoffnung“

Peter Stöger spricht im Interview unter anderem über seine Erfahrungen in den ersten sechs Monaten als Sport-Vorstand und definiert Ziele, sowie kurz- und langfristige Strategien für Transfers und die Ausbildung & Weiterentwicklung von Spielern. Seine wichtigste Erkenntnis zur Austria-Akademie ist, „dass in jedem Jahrgang drei bis vier außergewöhnliche Spieler vorhanden sind.“

Warum wird das Jahr 2020 für Austria Wien besser als 2019?

Sport-Vorstand Peter Stöger: Ich glaube, dass wir zuversichtlicher sein können, weil wir uns in diesem halben Jahr in der Zusammenarbeit sehr gut kennengelernt haben. Außerdem haben wir in der Endphase der Meisterschaft positivere Signale gesehen als zu Beginn. Ich habe das Gefühl, dass sich in kleinen Schritten etwas entwickelt.

Mit Andreas Poulsen hat Austria Wien bisher einen neuen Spieler geholt, leihweise vom deutschen Bundesligisten Borussia Mönchengladbach für ein halbes Jahr. Was versprichst du dir von diesem Transfer und sind ähnliche Leihgeschäfte auch eine strategische Überlegung für die Zukunft?

Es ist erstmal spannend, einen Fuß in die deutsche Bundesliga zu bekommen. Wir haben aufbauend auf meiner mehrjährigen Erfahrung in Deutschland und dem Hintergrund von Sportkoordinator Alex Bade im letzten halben Jahr viele Kontakte aufgebaut und mit zahlreichen Vereinen gesprochen. Die Resonanz war sehr positiv: die österreichische Bundesliga und Austria Wien im Speziellen werden als sehr guter Partner wahrgenommen. Wir haben uns dann mit Andreas Poulsen für die aus unserer Sicht spannendste Lösung entschieden. Grundsätzlich sehe ich schon Entwicklungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit mit Vereinen wie Borussia Mönchengladbach.

Unter welchen Umständen könnte es in diesem Winter weitere Transfers geben?

Nur wenn uns noch Jungs verlassen. Wir haben mit Andreas Poulsen einen zusätzlichen Spieler geholt und bewerten unsere Kadergröße als ausreichend – jeder, der mich kennt, weiß auch, dass ich nicht für Aktionismus zu haben bin. Gleichzeitig hat sich unsere finanzielle Situation über Weihnachten nicht verändert. Wir arbeiten weiter daran, unsere finanziellen Möglichkeiten zu verbessern und strategische Partner zu gewinnen.

Beide Mannschaften fliegen gemeinsam ins Trainingslager (24.-31.1.). Welche Vorteile verspricht sich die Austria?

Zunächst gilt jenen mein Dank, die das Trainingslager für uns ermöglicht haben: das sind einerseits Menschen, die uns wirtschaftlich unterstützen und andererseits die Veranstalter, mit denen die Austria seit Jahren zusammenarbeitet und die alles unternommen haben, dass wir in die Türkei fliegen können. Mit beiden Profiteams gleichzeitig ins Trainingslager zu fliegen und im selben Hotel zu wohnen ist der Idealzustand. So können wir die Synergien und den Austausch zwischen der ersten und zweiten Mannschaft weiter forcieren. Im Herbst gab es einige gute Beispiele von jungen Spielern, die zuerst bei den Young Violets Spielpraxis sammelten und uns dann in der Bundesliga Freude bereiten konnten. Dass die Verschmelzung der beiden Profimannschaften bestens funktioniert ist einer der positivsten Aspekte des letzten halben Jahres – das ist unser Weg.

Wie bewertest du die Ausgangssituation vor dem Frühjahrsstart und welche sportliche Entwicklung erwartest du dir im Frühjahr?

Die Ausgangssituation ist für beide Mannschaften herausfordernd. Über die Situation der ersten Mannschaft müssen wir nicht diskutieren: Klar ist, wir sind auf Hilfe angewiesen, wenn wir noch unter die ersten sechs kommen wollen. Wir können uns aber nur auf das konzentrieren, was wir selbst beeinflussen können. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die vier verbleibenden Spiele des Grunddurchgangs bestmöglich zu absolvieren und dann werden wir sehen, wie die Konkurrenz gepunktet hat. Das Ziel ist, die Mannschaft und unser Spiel weiterzuentwickeln – Ansätze waren am Ende der Herbstsaison schon erkennbar.

Wie bewertest du die Ausgangssituation der Young Violets?

Die Young Violets haben nach einer schwierigen Startphase ordentlich gepunktet – ordentlich gespielt haben sie ohnehin von Anfang an. Bei den Young Violets geht es uns in erster Linie um die Entwicklung der einzelnen Spieler, gleichzeitig müssen wir alle Kräfte mobilisieren, um in der 2. Liga zu bleiben. Das wird sicher spannend und herausfordernd, weil einige junge Spieler im Herbst näher an die erste Mannschaft herangerückt sind - deshalb werden andere, sehr junge Spieler ihr Potenzial ausschöpfen müssen.

Du bist seit ziemlich genau einem halben Jahr Sport-Vorstand von Austria Wien. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der ersten sechs Monate?

Ich habe in einer schwierigen Phase sehr motivierte Mitarbeiter erlebt und habe in den letzten Wochen ein positives Gefühl entwickelt, dass wir in der nächsten Saison eine positive Entwicklung sehen werden. Im Laufe der Zusammenarbeit merkst du, wo du im Verein Synergien schaffen und wo du Ballast abwerfen kannst. Wir werden unser Haus neu organisieren, arbeiten an zusätzlichen wirtschaftlichen Kontakten und suchen einen strategischen Partner. Ich bin in diesen Bereichen sehr zuversichtlich, dass wir mit großen Schritten vorankommen.

Welchen Eindruck hast du von der Austria-Akademie gewonnen?

Oft wird gefragt: Wie durchgängig ist dieses Ausbildungssystem? Ist überhaupt genügend Qualität für die erste Mannschaft vorhanden? Die wichtigste Erkenntnis des letzten halben Jahres ist, dass in jedem Jahrgang drei bis vier außergewöhnliche Spieler vorhanden sind. Ich bin beruhigt, weil auf jeden Fall genug Qualität vorhanden ist, um regelmäßig Spieler für die Young Violets und die Kampfmannschaft zu entwickeln. Es ist zu einem großen Teil unsere Aufgabe, diese außergewöhnlichen Spieler zu fördern, an die erste Mannschaft heranzuführen und sie darauf vorzubereiten, was auf sie zukommt.

Worin muss Austria Wien besser werden, um in einigen Jahren wieder regelmäßig in den Top drei und im internationalen Geschäft dabei zu sein?

Erstens ist es wichtig, die Qualitäten und Ressourcen im eigenen Haus bestmöglich zu nutzen. Ich denke, da haben wir im Herbst einen guten ersten Schritt gemacht: einige junge Spieler, die zu Saisonbeginn mit den Young Violets keine Punkte geholt haben, konnten uns am Ende der Herbstsaison bei der Kampfmannschaft Freude bereiten.

Zweitens müssen wir an unserer Wirtschaftlichkeit arbeiten. Die Austria hat in den letzten Jahren große und notwendige Infrastruktur-Investitionen getätigt. Nun müssen wir strategische Partner finden, die uns auf unserem Weg begleiten.

Drittens müssen wir auf der sportlich-strategischen Ebene richtige Entscheidungen treffen. Dafür haben wir begonnen, unser sportliches Netzwerk auszubauen, um bessere Möglichkeiten zu haben, unseren Kader zu verbessern und bei dem einen oder anderen Spieler vielleicht früher dran zu sein als andere Vereine. Wir wollen uns damit auch sukzessive das Vertrauen erarbeiten, dass Spieler das Gefühl haben: Bei der Austria entwickelt sich etwas in die richtige Richtung, da will ich hin.

Klar ist auch, dass die Austria kein Stadion gebaut hat, um darüber zu diskutieren, ob wir Sechster oder Siebter werden. Ich habe auch nicht den Job des Sport-Vorstands angenommen, um Vierter oder Fünfter zu werden. Auch, dass die letzten zwei bis drei Jahre nicht dem Anspruch der Austria entsprechen, ist klar. Es wird viel Arbeit und vor allem auch Zeit brauchen, aber wir werden da wieder gestärkt herauskommen. Wichtig ist, dass der echte Glaube daran, unter die ersten drei kommen zu können, größer ist als die Hoffnung, dass wir es schon irgendwie schaffen können. Vor Saisonbeginn erwarte ich mir folgende Ausgangssituation für Austria Wien: Wenn wir normal performen, werden wir unter den ersten drei sein. Vielleicht ist das schon nächste Saison so – in Zukunft soll das auf jeden Fall wieder so sein.

Inwieweit laufen jetzt bereits Planungen für die nächsten Transferzeiten?

Klar ist, dass wir in dieser Transferperiode sehr eingeschränkt sind. Der Sport ist natürlich grundsätzlich sehr kurzlebig, aber wir schauen schon mit einem Auge auf die strategische Ausrichtung ab Sommer, weil wir glauben, dass wir dann mehr Möglichkeiten haben werden, uns zu bewegen. Vieles davon haben wir begonnen, vorzubereiten.