Young Violets |

08.07.2019

Harald Suchard über die Kunst des Trainerdaseins

Seit wenigen Wochen ist Harald Suchard Cheftrainer der Young Violets. Im Trainingslager in Windischgarsten nahm sich der 42-Jährige lange Zeit, um über seine Ziele, seine Idee des Fußballs und seinen Führungsstil zu sprechen und erklärte dabei, warum direkte Kommunikation gerade in der heutigen Zeit so wichtig ist.

Nach dem ersten Abendessen im Wellnesshotel Dilly spricht er noch kurz zur Mannschaft, ehe er die Spieler gegen 20:00 Uhr in die Freizeit entlässt. Kurz darauf nimmt Harald Suchard auf der Terrasse Platz, bewundert an diesem lauen Sommerabend noch kurz das Panorama um Windischgarsten. Es folgt eine gute halbe Stunde, in der der ehemalige Spieler der Austria Amateure ins Detail geht, erklärt, warum er sich für Austria Wien entschieden hat und was den Spieler vom Trainer Harald Suchard unterscheidet.

"Ich war als Spieler sehr, sehr ehrgeizig. Meine fußballerischen Fähigkeiten waren im Normalbereich würde ich sagen. Wenn mir damals etwas nicht gelungen ist, war der Topf sehr schnell voll. Und dann war ich immer der Meinung, je mehr ich trainiere, desto besser werde ich. Durch den Trainerposten habe ich gesehen, dass genau das Gegenteil der Fall ist."

…seine Entscheidung, die Aufgaben bei Austria Wien zu übernehmen:

Gemeinsam mit dem Präsidenten, dem Vorstand und dem Sportdirektor hatten wir in relativ kurzer Zeit sehr viele Übereinstimmungen was den Zugang zum Nachwuchsspieler, zur Talenteförderung und vor allem zur Schnittstelle Young Violets gefunden. Es gab lange Gespräche über die Kommunikation, die bei gerade hier einen extrem hohen Stellenwert hat, da waren wir uns alle einig. Dazu kommt der Fußball an sich, wo die Ausrichtung des Klubs deckungsgleich mit meiner Ansicht ist. Mit dem Fußball, den die Austria-Fans sehen wollen, dass, wofür die Austria steht, damit kann ich mich ganz klar identifizieren.

Der zweite große Punkt ist, dass ich mich hier auch persönlich weiterentwickeln kann. Ich war zehn Jahre lang in Akademien, war Trainer, Leiter und beim Projekt 12 dabei und konnte dort sehr viel lernen und mitnehmen. Ich denke, dass mir dieser große Erfahrungsschatz bei den Young Violet sehr helfen kann, weil hier die Entwicklung der Spieler eine sehr große Rolle spielt. Neu ist, dass es auch auf die Ergebnisse und die Tabellensituation ankommt. Denn, auch da sind wir uns einig, die Plattform 2. Liga ist die perfekte Situation, diese jungen Spieler bestmöglich heranzuführen.

…seine ersten Tage bei Austria Wien:

Ich bin wirklich sehr schnell in den Klub integriert worden. Innerhalb von drei Tagen war alles selbstverständlich und wir konnten uns sofort mit dem Fußball und der Mannschaft beschäftigen. Der Einstieg ist uns auf jeden Fall sehr leicht gemacht worden. Das zeigt dann natürlich, wie professionell der Verein aufgestellt ist und geführt wird.

Zuallererst steht bei mir immer das Agieren vor dem Reagieren. Die wichtigste Frage ist, was machen wir, wenn wir den Ball haben? Oft hört man, 'wir spielen auf Ballbesitz'. Aber Ballbesitzspiel heißt nicht erfolgsorientiert zu spielen, der Ballbesitz ist viel eher ein Mittel zum Zweck, erfolgreiche Situationen einzuleiten. Klar ist, wenn wir den Ball haben, dann kann uns der Gegner kein Tor machen – und ja, ich werfe nachher zwei Euro ins Phrasenschwein (lacht).

Der springende Punkt ist, das Spiel zu kontrollieren, von hinten nach vorne zu tragen. Das kann über das Kombinationsspiel gehen, das kann auch über einen langen Ball sein. Auch das kann eine kontrollierte Aktion sein. Wir wollen einen attraktiven, schön anzusehenden Fußball zeigen, in dem wir das letzte Drittel bespielen. Dort braucht es Kreativität und dann kommen wir wieder zu der Frage, 'was machen wir mit dem Ball'. Der Tormann braucht eine Idee, die Verteidiger brauchen eine Idee und je weiter es nach vorne geht, desto risikoreicher und dynamischer muss das Spiel angelegt sein. Wenn der Innenverteidiger vorstößt, muss der die gleiche Dynamik aufbringen, wie der Stürmer an der letzten Linie.

Wenn wir den Ball nicht haben, gilt es, diesen so schnell wie möglich wieder zurückzuerobern. Es wird natürlich Phasen im Spiel geben, wo wir vielleicht etwas tiefer stehen. Aber nur tief stehen und Nichtstun, das führt zwangsläufig zu Gegentoren. Wir müssen auch dann agieren, wenn wir in der eigenen Hälfte sind.

…Philosophie im Fußball:

Das ist auch so ein Modewort im heutigen Fußball. Bei der Philosophie geht es nicht nur um technisch-taktische Übungen auf dem Papier. Das beginnt mit einer Grundhaltung zum Fußball und wenn wir einen offensiven und attraktiven Fußball zeigen wollen, dann müssen wir das in jede Analyse, in jedes Einzelgespräch einfließen lassen.

Ein weiterer Punkt ist die Spielfreude, die auch von den Trainern ausgehen muss. Wenn wir in der Früh in die Kabine kommen, muss für den Spieler klar ersichtlich sein, der Trainer hat Freude, dass er hier sein kann. Wenn wir das nicht vorleben, dann kommt auch beim Spieler kein Spaß auf. Philosophie ist mehr, als die taktische Ausrichtung, da gehören sehr viele Elemente, auch in der Teamführung, dazu.

Ich bin der Überzeugung, dass die Spieler merken müssen, dass hier jemand ist, der alles tut, um die Spieler besser zu machen. Da gibt es einerseits einige Grundregeln, um einen Rahmen vorzugeben. Auf der anderen Seite, und das ist die Kunst eines Trainers, sollte es irgendwann so sein, dass es keine Regeln mehr braucht. Ganz einfach, weil sich die Mannschaft die Regeln selbst aufstellt und sich selbst korrigiert. Geht man außerhalb des Platzes in eine Richtung, spiegelt sich das auch auf dem Feld wider.

Wir sprechen hier nicht von außergewöhnlichen Regeln, sondern einfach Dunge, dir mir in der heutigen Gesellschaft einfach wichtig sind. Es ist mir ein unglaubliches Bedürfnis, die Kommunikation hochzuhalten. Mit mir kann man Freude haben, Spaß haben, jederzeit reden. Meine Tür, das habe ich den Spielern gleich ganz am Anfang gesagt, steht immer offen, sie können mich jederzeit anrufen.

...über Kommunikation:

Die ist mir ein besonderes Bedürfnis und ist unglaublich wichtig. Ich denke, dass wir dahingehend etwas in die falsche Richtung steuern. Es prasselt eine enorme Informationsflut auf die Spieler ein, allein durch die sozialen Medien. Das führt dazu, dass ein Vieraugengespräch unter zwei Erwachsenen kaum noch stattfindet. Davor sind aber auch wir Trainer nicht gefeit, einfaches Beispiel, der Spieler schickt mir eine Nachricht, ich antworte ihm mit einem Daumen nach oben. Das ist zwar eine Antwort, allerdings ohne jegliche Information, ohne Hintergrund, ohne Emotion.

Was mir aber sehr gefallen hat, mich hat am zweiten Trainingstag ein Spieler – und das ist entscheidend – angerufen, und mir gesagt, dass er sich verspätet. Das war für mich richtig überraschend. Was ich damit sagen will: Wenn wir diese Kommunikation verlangen, dann müssen wir das auch vorzeigen. Ich glaube gerade bei den Young Violets, weil es hier zu vielen Überschneidungen mit der Kampfmannschaft und der U18 kommt, steht die Kommunikation fast noch über den technisch-taktischen Vorgaben.

Wir müssen offen, ehrlich und klar mit den Spielern kommunizieren. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn der Spieler einfach nur hört, wo er am Wochenende zum Einsatz kommt, den Grund aber nicht erfährt. Hat er diese Information bekommen ist es, auch wenn er damit vielleicht nicht einverstanden ist, dennoch um ein Vielfaches besser.

Auch innerhalb des Trainerteams ist Kommunikation enorm wichtig. Ich fordere auch von allen ein, dass sie zu mir kommen und mir ehrlich sagen, wenn sie etwas anders gemacht hätten. Mit unserem Talentecoach Christoph Glatzer habe ich ein Top-Mann, der bereits ein Jahr als Co- und später als Cheftrainer in dieser Liga hinter sich hat. Außerdem kennt er die Spieler deutlich länger und weiß, wie sie ticken.

Christian Wegleitner betrachtet den Fußball immer aus einem anderen Blickwinkel, für ihn kommt zuerst immer der Mensch selbst. Wir beide harmonieren super, haben schon viele Jahre in den Akademien zusammengearbeitet, haben viel gesehen. Oftmals ist es so, dass vor allem junge Spieler Probleme abseits des Platzes haben und dann ist es wichtig, das zu erkennen und anzusprechen, denn solche Probleme kannst du mit Trainingseinheiten nicht lösen. Ich bin sehr froh, dass er im Trainerteam ist, technisch-taktisch sind wir ohnehin auf einer Linie und menschlich ist er sehr wertvoll.

…über Führungsarbeit:

Ich habe einmal eine Antwort auf die Frage 'was bedeutet führen' gehört, die mich wahnsinnig beeindruckt hat. Da kamen natürlich zuerst Dinge wie delegieren, einteilen, kontrollieren, herausfordern. Und dann hat jemand gesagt, 'die Hauptaufgabe ist zuhören'. Das finde ich großartig! Wenn man als Führungsperson immer nur neue Impulse setzt, dann werden die irgendwann nicht mehr wahrgenommen. Wenn ich merke, ein Spieler hat ein Problem, kann ich ihm nicht sofort entgegnen, dann mach' es so oder so. Ich muss auch einmal zuhören können und Aussagen oder Aktionen wirken lassen.

Wichtig ist außerdem der Faktor Spaß. Kommt der nicht zum Tragen, bei Spieler oder Trainer, dann sind die Erfolgsaussichten nicht sehr groß. Alles was mit Zwang und Druck passiert, kommt nur schlecht an. Ziel ist es, die Spieler so zu führen, dass sie irgendwann selbst entscheiden und ich nur eine Richtung vorgebe.

Es gibt auch den tollen Satz, 'der Mensch verträgt die Wahrheit schon'. Ich werde immer ehrlich mit den Spielern umgehen und verlange das natürlich auch umgekehrt. Wir arbeiten jetzt eineinhalb Wochen zusammen, ich liebe die Truppe, wir haben super Typen! Klar ist aber auch, dass wir sehr große Entwicklungssprünge zwischen den einzelnen Spielern haben, das heißt man muss schon differenzieren, was man von wem verlangen kann. Unter dem Strich sind aber alle gleich und alle werden gleich behandelt.

Ich war als Spieler sehr, sehr ehrgeizig. Meine fußballerischen Fähigkeiten waren im Normalbereich würde ich sagen. Wenn mir damals etwas nicht gelungen ist, war der Topf sehr schnell voll. Und dann war ich immer der Meinung, je mehr ich trainiere, desto besser werde ich. Durch den Trainerposten habe ich gesehen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Es gibt in der Forschung und in der Literatur zwei klare Vorkommnisse, die passieren müssen, um einen Lernfaktor zu erzielen. Einerseits Gelassenheit, andererseits Freude. Nur wenn diese beiden Dinge da sind, hast du höchste Hirnaktivität, dann gelingt dir auch etwas.

Als ich Trainer geworden bin, war ich der Meinung, ich bin nur dann ein guter Trainer, wenn ich mich jetzt stundenlang hinsetze und mir überlege, was wir im Training und Spiel machen wollen. Ein kompletter Irrglaube, es ist genau gar nichts passiert. Man kann sich nicht zwingen, Lösungen zu finden, du musst andere Wege finden. Das geht am besten mit Freude. Die ist klarerweise da, sonst würde ich diesen Job nicht machen. Ich wollte immer Trainer werden, weil ich es als Privileg sehe, mit Menschen zu arbeiten. Das ist die schönste Aufgabe, die man überhaupt haben kann. Dazu spielt der Sport in meinem Leben immer schon eine sehr große Rolle. Und ich bin dann draufgekommen, wenn ich laufen gehe oder auf dem Mountainbike sitze, dann fallen mir auf einmal Dinge ein, die mir am Schreibtisch nicht eingefallen sind. Als Spieler war das Motto einfach immer 'mehr ist mehr'. Heute ist ab und an auch weniger einmal mehr.

…über die Ziele der Saison 2019/20:

Die Idealsituation wäre, wenn sich aus dem Kader den wir jetzt haben, inklusive der Spieler die letztes Jahr noch regelmäßig bei den Young Violets gespielt haben, Spieler klar in der Kampfmannschaft etablieren und dort zum Stamm gehören. Das sehe ich ganz klar als Ziel.

Der andere Punkt ist freilich, in Tabellenregionen zu kommen, wo wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Wenn wir es schaffen, dass wir uns auf die Entwicklung der Spieler konzentrieren können und uns nicht mit dem Druck, den du natürlich hast, wenn du hinten drin bist, beschäftigen müssen, ist das sehr viel wert.

Für Suchard ist die Kommunikation das A und O in der Führung. Beeindruckt hat ihn vor allem eine Antwort, die er einmal auf die Frage nach dem Führen gehört hatte. "Da kamen natürlich Dinge wie delegieren, einteilen, kontrollieren, herausfordern. Und dann hat jemand gesagt, 'die Hauptaufgabe ist zuhören'. Das finde ich großartig! Wenn man als Führungsperson immer nur neue Impulse setzt, dann werden die irgendwann nicht mehr wahrgenommen. Wenn ich merke, ein Spieler hat ein Problem, kann ich ihm nicht sofort entgegnen, dann mach' es so oder so. Ich muss auch einmal zuhören können."

Genau das fällt für den Trainer auch in das "Modewort" Philosophie. "Da geht es nicht nur um technisch-taktische Übungen auf dem Papier. Das beginnt mit einer Grundhaltung zum Fußball und wenn wir einen offensiven und attraktiven Fußball zeigen wollen, dann müssen wir das in jede Analyse, in jedes Einzelgespräch einfließen lassen. Wenn der Spieler merkt, der Trainer hat an seiner Arbeit keinen Spaß und keine Freude, wird er das auch nicht haben."

Direkt nach dem Gespräch geht es für Suchard schon weiter. Er trifft Christian Wegleitner und Christoph Glatzer, bespricht den weiteren Ablauf, kurz darauf folgt ein Gespräch mit Anouar El Moukhantir. Der Trainer lebt die direkte Kommunikation vor – zu jedem Zeitpunkt.

Ausgabe KW 28/2019

Erstellt am 11.07.2019


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12.07.2019, 16:00, Generali-Arena, Young Violets Austria Wien - Manchester United U23
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22.07.2019

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1.Runde, 27.07.2019, 17:00, WSG Wattens - FK Austria Wien
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UEFA Europa League
Q3, Hinspiel, 08.08.2019
Q3, Rückspiel, 15.08.2019

2.Liga
1.Runde, 26.07.2019, 19:10, Young Violets Austria Wien - SV Horn
2.Runde, 02.08.2019, 19:10, SKU Ertl Glas Amstetten - Young Violets Austria Wien
3.Runde, 09.08.2019, 19:10, Young Violets Austria Wien - SC Austria Lustenau