Portrait |

01.02.2024

Kos: "Das Team steht immer über allem"

Kraftlackl, Spaßvogel, Teamplayer, Mentalitätsmonster. Das alles ist Mirko Kos. Der 26-jährige Steirer dockte 2012 in Wien-Favoriten an und ist einer der längstdienenden Austrianer im Kader. In den kommenden Wochen wird er sich ans Rampenlicht gewöhnen müssen. Ein Portrait.

Daniel Shaked

„Der Jimmy (Holland, Anm.) könnte mich im Armdrücken noch am ehesten fordern. Vielleicht noch der Marvin (Martins, Anm.) oder der Silva (Kani, Anm.). Aber wurscht, wer kommt, ich besieg‘ sie alle“. Das Selbstbewusstsein kann man Mirko Kos nicht absprechen. Es ist eine jener Tugenden, die dem stets blendend aufgelegten Steirer weit über den Mannschaftskreis hinaus den Ruf des „Mentalitätsmonsters“ beschert haben. Der 26-jährige heuerte im Sommer 2012 in Wien-Favoriten an. Für die Young Violets bestritt er 96 Spiele, für die Kampfmannschaft erst sechs. Das wird sich in den kommenden Wochen ändern.

„Habe in der Kraftkammer geschlafen“

Geboren in Bruck an der Mur, verbrachte Mirko Kos eine weitgehend harmonische Kindheit im verschlafenen Mürzzuschlag, wo er die Unterstufe des Gymnasiums absolvierte und nebenbei als Goalie in der Jugend des Kapfenberger SV anheuerte. Bei den Falken kam es in der Folge zu nicht näher ausgeführten „Disbalancen“. „Es hat einfach nicht gepasst dort“, sagt er. Während der darauffolgenden Phase der Vereinslosigkeit sprang Mirkos Vater als Privat-Coach ein. Ihm habe er sportlich wohl am meisten zu verdanken – „ob Schnee oder Gatsch, wir waren bei jedem Wetter draußen und haben trainiert.“ Er war auch der Grund, warum der Goalie heute innerhalb der Mannschaft als Mentalitätsmonster gilt. „Der Papa war mein größter Motivator. Ich hab‘ immer doppelt so hart trainiert wie alle anderen, hab quasi am Trainingsplatz und in der Kraftkammer geschlafen.“ Aber auch die Mama hatte ihren Anteil an Kos' Karriereweg. „Über Jahre hinweg hat sie mich von Training zu Training chauffiert und unendlich viele Stunden ihrer Zeit geopfert. Sie war mindestens genau so wichtig für mich, ich bin meinen Eltern ewig dankbar.“

GEPA

Die Familie Kos sollten für ihren Aufwand alsbald belohnt werden. Im Frühsommer 2012 schickte Mirko ein Anmeldeformular ab und wurde nach drei Wochen Probetraining in den violetten Jugendkader übernommen. „Eine wilde Zeit für mich. Wenn du als 14-Jähriger das erste Mal aus Mürzzuschlag rauskommst, wirkt jeder Ort wie Las Vegas.“ In seiner Anfangszeit pendelte er jeden Tag zum Training, wurde sogar einmal beim Schwarzfahren erwischt. „Der Schaffner war brennhaß. Er wollte mich in Wiener Neustadt rausschmeißen, mich anzeigen. Beim Ausweis-Suchen hat er meine Tormann-Handschuhe im Rucksack gesehen und mich durchgewunken, es hat sich herausgestellt, dass er Tormann-Trainer war“ lacht er. Weil Kos die Pendelei irgendwann zu viel wurde, wechselte er ins Internat des Ballsportgymnasiums Wien-Erdberg, wo er gut zwei Jahre verbrachte. Nachdem sich seine Eltern zwischenzeitlich getrennt hatten, wollte der Papa wieder näher an seinem Sohn sein und siedelte sich in Brunn/Gebirge an. Mirko zog zu ihm.

„Du musst bereit sein für den Tag X“

Über die U18 spielte sich unsere Nummer 99 in den Kader der Amateure, mit denen er 2018 unter Trainer Andi Ogris den Aufstieg in die zweite Liga schaffte. Nach 41 Partien als Rückhalt für die Young Violets feierte Kos im April 2020 sein Bundesliga-Debut in der Kampfmannschaft, bestritt seither aber mehr Spiele im Cup. Wie er mit seiner Rolle als Reservist umgeht? „Es braucht einfach viel Geduld. Mich persönlich spornt es nur noch mehr an, wenn ich weiß, dass ich wahrscheinlich nicht oft zum Spielen komme. Du musst immer bereit sein für den Tag X, wenn du endlich drankommst.“ Durch die im Dienstagstraining erlittene Knieverletzung von Chris Früchtl wird sich Mirko in den kommenden Wochen rasch ans ungewohnte Rampenlicht gewöhnen müssen. Mirko bleibt selbstlos, sieht den Ausfall seines Teamkollegen ambivalent. „Natürlich freu‘ ich mich über mehr Einsatzzeit, aber ich freue mich nicht über Chris‘ Verletzung. Unser Verhältnis ist hervorragend. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen gute Besserung!“

GEPA

Dass er als etatmäßiger Ersatzgoalie innerhalb des Vereins, im Kader und bei den Fans derart hohe Wertschätzung genießt, ist für Mirko keineswegs selbstverständlich. „Ich glaube, ich hab‘ das Team immer über mein Ego gestellt. In diesem Punkt ein Vorbild für die Jungen zu sein, ist mir wichtig. Du brauchst eine positive Einstellung, auch wenn du wenig spielst. Ich könnte es nicht mit mir vereinbaren, mich als Profi gehen zu lassen. Wenn du in dieser Branche bestehen willst, musst du alles investieren. Ich glaube, die Fans und meine Teamkollegen spüren das, drum kommt auch einiges zurück. Das wiederum gibt mir die Kraft, um das Level hoch zu halten.“

Es ist nicht nur die Mentalität, die den Steirer auszeichnet. Auch das Bewusstsein für Ernährung sowie der Umgang mit seinem Körper haben einen wesentlichen Stellenwert. „Sauna, Eisbaden, Ernährung. Ich trag‘ sogar einen Schlafring. Ich weiß über meinen Körper Bescheid. Viel Training, viel Schlaf, kein Zucker. Für mich ist das mittlerweile zum Lifestyle geworden. Cola und Salamipizza hat’s bei mir jedenfalls schon lange nicht mehr gegeben.“

„Unsere Fans? Du denkst dir nur: Oida! Oag!“

Die Entwicklungen im Verein und der enorme Fan-Zulauf der letzten Jahre blieben weder Mirko noch seinen Mitspielern verborgen. „Unsere Fans sind - im positiven Sinn - geistesgestört“, lacht er. „Ich bin jetzt lange dabei, kann mich auch an Partien vor 5000 Leuten erinnern, heute spielen wir unter der Woche vor 12 000 im Cup. Du denkst dir nur, Oida! Oag!“ Wie er sich diese Entwicklung erklärt? „Weil sie merken, dass wir alles auf dem Platz liegen lassen. Bei uns schaut niemand nur auf seinen eigenen Hintern. Weder im Team noch in der Geschäftsstelle. Wir sind in einer Entwicklung und mit diesem positiven Support entwickelt man sich als Spieler natürlich schneller.“

GEPA

1400 Veilchen werden die Mannschaft am Freitag im Cup-Viertelfinale in Graz unterstützen. Mit Mirko Kos, Reini Ranftl, Jo Handl, Andi Gruber, Marvin Potzmann, Mandi Fischer und Moritz Wels stehen aktuell sieben Steirermen im Kader der Veilchen. „Alle mit violettem Herz“, wie Mirko betont. „Spiele gegen Sturm sind immer etwas Besonderes, die Steirer unter uns werden wohl noch zwei, drei Prozent mehr aus sich rauskitzeln.“

Cup-Viertelfinale als Meilenstein

Ob den Veilchen in Graz wie am 29. Oktober noch einmal ein Sieg gelingt? „Es sind noch zwei Spiele bis zum Cup-Finale. Wir fahren mit breiter Brust nach Graz, sind absolut ready!“ Nach dem Europacup-Debut 2022 auswärts in Be’er Schewa, dem zweifachen Turniersieg beim Göttinger Hallencup und dem Austieg in die zweite Liga 2018 wartet am Freitagabend ein nächster Meilenstein auf Mirko: „Es ist das wahrscheinlich größte Spiel meiner bisherigen Karriere.“