Portrait |

30.07.2025

„Freu‘ mich auf alles, was kommt!“ - Johannes Eggestein im Portrait

Der 27-jährige Stürmer wechselte vergangene Woche vom FC St.Pauli an den Verteilerkreis, wo er einen Vertrag bis 2028 unterzeichnete. Im ausführlichen Portrait verrät „Jojo“, was ihn an der Austria überzeugt hat, wie er seine Rolle als Stürmer definiert und warum er der Fußball-Bubble ab und zu entfliehen muss.

©Daniel Shaked

„Jojo oder Johannes. Beides gut.“  

Johannes Eggestein ist blendend aufgelegt. Der 27-jährige Deutsche ist seit einer Woche Austrianer, kam ablösefrei vom FC St. Pauli und unterschrieb bis 2028 am Verteilerkreis. Seine ersten Assoziationen, als das Angebot der Veilchen ins Haus flatterte? „Traditionsklub, erfolgreichster Verein des Landes, große Tragweite.“  

Die Fanforen des Hamburger Kiez-Klubs scheinen den Abgang des gebürtigen Hannoveraners jedenfalls ausgiebig zu bedauern. „Menschlich ein herber Verlust“, so die einhellige Meinung. Mit Eggestein gehe eine echte Persönlichkeit, jemand, der sowohl am Feld als auch in der Kabine stets präsent war. „Es freut mich sehr, so etwas über meine Person zu hören. Ich möchte Menschen prinzipiell immer offenherzig und vertrauensvoll begegnen. Die Beurteilung, inwiefern mir das gelingt, obliegt dann anderen“, gibt sich unsere neue Nummer 19 bescheiden.  

©Daniel Shaked

Jojo, der Wien-Fan 

Dass ein Wechsel von der deutschen in die österreichische Bundesliga nicht den Usancen entspricht, sei ihm bewusst. „Entscheidend ist, wie überzeugend die Verantwortlichen eines Vereins auftreten. Ich hatte sofort das Gefühl, das wir in die gleiche Richtung denken.“ Die Möglichkeit, international zu spielen, sei reizvoll, Austria Wien als Gesamtpaket attraktiv. Sportlich, perspektivisch, der Stadt wegen. Schon zwei Mal beehrte Eggestein Wien als Tourist. Weit über den zehnten Bezirk kam er seit seiner Ankunft noch nicht hinaus. Mit dem typischen Wiener Grant habe er bereits Bekanntschaft gemacht: „Ich hatte dahingehend schon meine ersten Begegnungen. Das ist in Ordnung, das gehört zur Kultur. Jede Stadt hat ihre eigene Art und Weise, das ist im Norden nichts anderes.“  

Junge aus dem Norden 

Schon als Knirpse jagten Johannes und sein älterer Bruder Maximilian (heute als Mittelfeldspieler beim SC Freiburg unter Vertrag) durch den elterlichen Garten und der Kugel hinterher. Als vom Grün nichts mehr übrig war, wurden die Buben erst beim TSV Schloß Ricklingen, danach beim TSV Havelse als Spieler gemeldet, wo Vater Karl einst als Amateur kickte. Der Gedanke, später einmal vom Fußballspielen leben zu können, war zu jener Zeit noch nicht ausformuliert. „Wir hatten einfach Freude am Fußball.“ 

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Und Talent. 

Mit 15 Jahren tat es Jojo seinem Bruder gleich und übersiedelte ins Fußballinternat Bremen. „Im Nachhilferaum war ein Fenster, von dem aus man direkt ins Weser-Stadion hineinsehen konnte. Das war schon ein Ansporn.“ Über den Nachwuchs des SV Werder kämpften sich die beiden Zimmernachbarn bis in die Kampfmannschaft der Bremer hoch. Auf dem Weg zerschoss Johannes sämtliche Jugendligen, schlug auch in den diversen deutschen Nachwuchs-Auswahlen voll ein.  

Glücklos in Antwerpen 

2020 trennten sich die Wege der Geschwister jäh. Jürgen Werner, damals Sportchef beim LASK, hörte von Eggesteins Talent, lotste den damals 22-jährigen per Leihe in die Stahlstadt und landetete einen instant Goldgriff. In 39 Spielen erzielte Jojo 20 Treffer, assistierte neun Mal und wurde nach der Saison fest vom belgischen Traditionsklub Royal Antwerpen verpflichtet. Ganz nach Plan sollte es in der Jupiler Pro League allerdings nicht laufen. In 25 Einsätzen standen vier Assists zu Buche, meistens kam der Stürmer von der Bank. 

©Daniel Shaked

Aufstieg mit St.Pauli 

Im Sommer 2022 fragte mit dem FC St.Pauli der nächste Traditionsklub an. Der Wechsel nach Hamburg machte sich für alle Seiten schnell bezahlt. Jojo fand in der zweiten Bundesliga wieder zu alter Stärke, mauserte sich durch seine kämpferischen Attribute zum Publikumsliebling und feierte 2024 den sensationellen Aufstieg in die deutsche Bundesliga. Auf St. Pauli brachte er es in 85 Partien auf 20 Tore und 13 Assists. Selbst würde er sich als flexiblen und arbeitsamen Angreifer beschreiben. „Ich assistiere gerne, beteilige mich am Spielaufbau, gerne zwischen den Ketten, helfe der Mannschaft, kompakt zu sein. Es war schnell klar, dass wir mit Pauli gegen den Abstieg spielen werden. Da brauchst du alle elf für die Defensivarbeit.“ 

Neue Rolle in Favoriten 

In Favoriten sei die Ausgangslage eine gänzlich andere. „Ich bin nach Wien gekommen, um Tore zu schießen. Ob ich sie selbst mache oder vorlege, ist zweitrangig. Ich möchte mithelfen, die Austria national wieder nachhaltig unter die Top-Teams zu bringen.“ Die Mannschaft habe ihn herzlich aufgenommen, die ehemaligen LASK-Teamkollegen Philipp Wiesinger, Reini Ranftl oder Marko Raguž beschleunigten die Eingewöhnung. 

©Daniel Shaked

Raus aus der Bubble! 

Das Leben als Profi-Fußballer ist nicht nur aufregend. „Es ist eine Blase, in der vieles sehr einheitlich abläuft.“ Bereits in Hamburg nahm Jojo ein Psychologie-Studium an der Medical School (MSH) auf. „Ich wollte das Leben abseits meiner Fußball-Bubble kennenlernen. Von den Erfahrungen, die ich an der Uni gemacht habe, vom Austausch mit den Kommilitonen, hab‘ ich als Mensch bis jetzt sehr profitiert.“ Die Austria kam seinem Wunsch nach, organisierte ihm einen Studienplatz an der Sigmund-Freud-Universität. „Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.“  

Freude auf die Fans 

Psychologisch soll es hie und da auch in Österreichs Stadien zugehen. Von der Stimmung in der Generali-Arena hat Jojo bereits gehört. „Es war mit das erste, was mir meine Freunde geschrieben haben.“ Die sportliche Rivalität mit einem Stadtrivalen sei ihm noch aus Hamburg und Antwerpen bestens bekannt. „Das Wiener Derby hat weit über die Grenzen Österreichs hinaus einen Namen. Ich bin der Meinung, wir sollten dort in Zukunft wieder mehr punkten. Ich freue mich schon sehr darauf.“