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Viola TV | 27.10.2025

'Mister Austria': Zum 100. Geburtstag von Joschi Walter

Josef „Joschi“ Walter galt ab den frühen 1960er-Jahren als eine der prägendsten Persönlichkeiten des österreichischen Fußballs. Als Funktionär und Visionär prägte „Mister Austria“ seine Violetten über mehr als drei Jahrzehnte wie kein Zweiter. Unter seiner Ägide holten die Veilchen insgesamt 22 Titel. Am heutigen Montag wäre er 100 Jahre alt geworden. Eine Huldigung.

Klein-Joschi wuchs im Hernals der 1930er Jahre auf, wo man dem Fetzenlaberl an jeder Straßenecke hinterherhechelte. Der begabte Ballesterer genoss das sportliche Miteinander, ließ die Kugel erst ruhen, wenn die Beine nicht mehr konnten. Geld war im Hause Walter nicht im Übermaß vorhanden, was eine gewisse Strenge zu sich selbst erforderlich machte. Die Tugenden Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Disziplin sollen schon in jungen Jahren zu Walters Grundausstattung gehört haben. Mit elf Jahren trat er dem Wiener Sport-Club bei, im Oktober 1947 debütierte der Mittelfeldspieler in der höchsten österreichischen Spielklasse. Monate später wechselte Walter zur Vienna, wo er in den folgenden acht Jahren zwar nur selten zum Stammpersonal zählte, 1955 aber immerhin der Meistermannschaft angehörte. Seine aktive Karriere endete 1956 beim 1. Simmeringer SC. 

Werbefachmann Walter 

Daraufhin wandte sich Walter seinem eigentlichen Steckenpferd zu: dem Automobilgeschäft. Der gelernte KfZ-Mechaniker arbeitete sich nach Ende des zweiten Weltkriegs bis zum Geschäftsführer der Wiener Peugeot-Generalvertretung empor und wurde während des Wirtschaftswunders der 1960er-Jahre zu einer der schillerndsten heimischen Unternehmerfiguren. Walters unkonventionell gestaltete Werbekampagnen verhalfen Peugeot in Österreich zu beachtlichen Absatzzahlen. In einer davon stattete er sowohl Austria-, als auch Rapid-Spieler mit Peugeots aus – ein PR-Gag, über den halb Österreich tratschte. 

Auf Mission 

1959 wurde Joschi Walter als Vizepräsident und operativer Leiter der Wiener Austria vorgestellt, wo er sich binnen weniger Monate zur treibenden Kraft des Vereins entwickeln sollte. Er modernisierte die maroden Strukturen des Vereins und setzte - am Schreibtisch wie am Spielfeld - statt auf die allseits gepflegte Freunderlwirtschaft lieber aufs Leistungsprinzip. Den Klub betrachtete er als Wirtschaftsbetrieb, den Fußball als Teil der modernen Unterhaltungsindustrie, in der Professionalität und Kalkulation über Erfolg entscheiden. „Ein Verein ist heute kein Hobby mehr, sondern ein Unternehmen, das auch wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten folgen muss“, befand er damals.

Choreo Joschi Walter

© Anne-Sophie Danner-Fellinger

Triebfeder des „modernen Fußballs“

Der Erfolg gab ihm recht. Unter Walters Ägide holte die Austria zu Beginn der 1960er-Jahre drei Meisterschaften in Folge – und das, obwohl die Sportdirektion den Kader erheblich verkleinert und vorwiegend junge Spieler in die Kampfmannschaft integriert hatte. Walter bewies dabei ein feines Näschen für Talente. Horst Nemec oder Ernst Fiala feierten ihren Durchbruch, Namen wie Thomas Parits, Alfred Riedl oder Robert Sara sollten folgen. Sein kaufmännisches Geschick machte den violetten Vize 1967 zum umstrittenen Pionier: Nachdem er mit der Schwechater Brauerei den österreichweit ersten Trikotsponsoring-Vertrag ausverhandelt hatte, brach sich von medialer Seite reichlich Hohn über das „hässliche Bierseidl am Leibchen“ Bahn. Walter ließ das Getöse kalt, Sponsoring wurde alsbald zum state of the art im Profifußball.  

Der Horr-Platz wird zur Heimat 

Nach einem Intermezzo beim ÖFB kehrte Walter in den 1970er-Jahren in die Führungsriege seiner Veilchen zurück. Der Verein stellte sich wirtschaftlich breiter auf und bezog 1973, nach erfolgreicher Fusion mit dem Wiener AC, sein neues Zuhause, den später nach Franz Horr (damals sozialdemokratischer Nationalrat sowie Präsident des Wiener Fußballverbandes) benannten, ehemaligen „Tschechisches Herz“-Platz in Wien-Favoriten. 

Ein großzügiger Vater 

Zu Beginn der Siebziger-Jahre erlebte Joschi Walter gleich doppelt Vaterfreuden. Tochter Nicole, heute praktische Ärztin in der Donaustadt, hat ihre Kindheit in bester Erinnerung. „Mein Vater war ein sehr herzlicher Mensch, absolut geerdet. Nichts war ihm jemals selbstverständlich. Er war immer sehr dankbar, fast demütig, für das, was ihm das Leben gebracht hat“. Walter verleugnete seine Herkunft niemals, galt nicht nur seinen Liebsten als großzügiger Mensch mit sozialem Gewissen. „Ich kann mich noch an unsere Heurigenbesuche erinnern. Da gingen immer wieder ältere Damen durch die Reihen und verkauften ihre Sträuße Vergissmeinnicht. Mein Vater hat ihnen immer alles abgekauft, er konnte nicht anders. Immer hat er versucht, jenen, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, zu helfen. Er behandelte alle Menschen gleich und nach denselben Maßstäben.“

Die Austria Memphis-Ära

Beruflich gelang dem umtriebigen Funktionär 1977 ein Coup: Er gewann die Austria Tabakwerke als Hauptsponsor der Wiener Austria. Unter dem Namen Austria Memphis erlebte der Klub die vielleicht glanzvollste Zeit seiner heute 114-jährigen Vereinsgeschichte. Die Mannschaft um Herbert Prohaska, Erich Obermayer und Ernst Baumeister dominierte die Liga beinahe nach Belieben und sorgte 1978 mit dem Einzug ins Finale des Europapokals der Pokalsieger auch international für Furore. 

„Sir“ mit sozialem Gewissen

Joschi Walter war ein Charismatiker, der zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einem augeklügelten Plan ausgestattet schien. Als Visionär und Verhandler in Personalunion machte er sich seiner mitunter unerbittlichen Art wegen nicht immer Freunde. Josef Hickersberger, einst auch eine Entdeckung Walters, betitelte ihn einmal als hart, aber fair. „Er war ein echter ‚Sir‘ und ein großartiger Geschäftsmann, der für die Austria durch sein Verhandlungsgeschick finanziell immer das Maximum herausgeholt hat.“ Seine Geschicke lenkte der „Sir“ immer auch mit einer Portion Humor. „Sein Schmäh war schon gewaltig. Wenn man aber selbst zur Zielscheibe wurde, hat man es beim Joschi nicht sehr lustig gehabt“, sagte Hickersberger einst.

Späte Ehre 

1990, nach Jahrzehnten als Manager, Strippenzieher und Reformer, wurde Joschi Walter offiziell zum Präsident der Wiener Austria ernannt – eine späte Ehrung für sein Lebenswerk. Er hatte den Verein durch sein jahrzehntelanges Engagement zu einem der bestgeführten Klubs des Landes gemacht. Am 16. März 1992 starb Joschi Walter viel zu früh an einem Herzinfarkt. Sein Tod löste weit über den Sport hinaus große Bestürzung aus. Auf Walters Begräbnis am Hietzinger Friedhof hielten die damaligen Austria-Spieler Ehrenwache, über 1000 Trauergäste kamen zum letzten Geleit. Als Hommage an seinen väterlichen Freund widmete der damalige Austria-Kapitän, Herbert Prohaska, dem Verstorbenen das violette Double 1992. Der violette „Jahrhundert-Fußballer“ hob Joschi Walter später als einen der wichtigsten Funktionäre in der langen violetten Historie hervor: „Er war einer jener Menschen, die immer dafür gesorgt haben, dass die Austria auch die Austria geblieben ist.“

Joschi Walter, unvergessen

Joschi Walters Vermächtnis lebt bis heute fort. Stolze 22 Titel holten die Veilchen während seiner Amtszeiten. Im Austria-Museum erinnert eine eigene „Joschi-Walter-Ecke“ an jenen Mann, der nicht nur „seine“ Violetten, sondern den gesamten österreichischen Fußball ins Zeitalter des modernen Profisports geführt hatte. Das Wirken von „Mister Austria“ machte die Wiener Austria zu dem stolzen Traditionsklub, der er heute ist. 

 

Danke an den ORF, der uns das historische Video-Material zur Verfügung gestellt hat!