Young Violets |

31.05.2022

Suchard: „Die Entwicklung des Einzelnen an 1. Stelle“

Unser Young Violets-Trainer Harald Suchard spricht im ausführlichen Interview über die Saison in der 2. Liga und die Entwicklung der jungen Austrianer.

GEPA

Eine Saison mit Höhen und Tiefen ist zu Ende gegangen. Unterm Strich steht ein 14.Platz in Liga Zwa. Wie fällt dein Resümee aus? Welche Erkenntnisse hast du gewonnen?

Harald Suchard: Es war eine schwierige Saison. Für uns als Trainerteam war es letzten Endes keine große Überraschung, dass es nur zu Platz 14 gereicht hat. Vorigen Sommer haben wir uns im Rahmen des Trainingslagers in Windischgarsten intensiv mit Sportdirektor Manuel Ortlechner ausgetauscht und sind übereingekommen, dass es unter idealen Bedingungen ein durchaus positives Jahr für die Young Violets werden kann. Es kam dann aber anders als erwartet. Die Corona-Krise und das Verletzungspech haben uns ordentlich durchgebeutelt. Alleine bei den Violets hatten wir über die Saison gerechnet neun Langzeitverletzte. Corona hat auch immer wieder für Ausfälle gesorgt. Einige davon konnten wir einfach nicht kompensieren.

Grundsätzlich muss ich meiner Mannschaft aber ein großes Lob aussprechen. Auch in schwierigeren Phasen hatte ich nie das Gefühl, dass sich jemand hängen lässt. Der positive Zugang hat mir imponiert. Auch ans Trainerteam ein Riesenkompliment! Wir hatten das gesamte Jahr über wahrscheinlich mehr mit negativen Situationen und Gefühlen zu tun als mit positiven. Der interne Zusammenhalt ist aber einzigartig. Wir sind untereinander in einem zwar kritischen, aber stets wertschätzenden Austausch.

Bei Bundesligisten sind Kaderumbrüche im Zweijahrestakt längst zur Normalität geworden. Bei den Young Violets ist die jährliche Spieler-Fluktuation noch höher. Wie geht ihr als Trainer damit um?

Dass so viele Junge den sofortigen Sprung zu den Profis schaffen würden, dort zu Leistungsträgern wurden, oder zumindest auf ihre Minuten kamen, war so nicht absehbar. Das ist für Spieler und Kampfmannschaft zwar genial, hat uns als Violets aber rückblickend nicht in die Karten gespielt. Kontinuität und Stabilität waren heuer streckenweise nur schwer zu bewerkstelligen. Wir haben in der abgelaufenen Saison 43 Spieler eingesetzt (Anm.: Bei der Kampfmannschaft waren es 26).

Welches spielerische Zeugnis würdest du deiner Mannschaft unterm Strich ausstellen?

Mit der Defensivleistung konnten wir über weite Strecken zufrieden sein. Bis zum letzten Meisterschaftsdrittel, waren wir bei den Gegentoren im Spitzenfeld der Liga. Dann kam es zu Verletzungen und Sperren, wir haben Lehrgeld bezahlt. Definitiv ausbaufähig ist unser Offensivspiel. Für ein junges Team ist das Toreschießen am schwierigsten, weshalb wir den Trainingsfokus zu einem Großteil auf das Verhalten im Angriffsdrittel ausgelegt haben. Da geht es um Attribute wie Durchsetzungsvermögen und Routine. Trotz vieler guter Spiele waren wir da vorne heuer teilweise zu unerfahren.

Hast du das Gefühl, dass der Mannschaft ein bisschen Routine oder ein verlängerter Arm am Feld gut tun würde? So wie du damals oder auch Manuel Ortlechner?

Routine spielt natürlich eine bedeutende Rolle. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir uns gegen Teams wie Austria Lustenau, dem FAC, Amstetten oder BW Linz schwergetan haben. Dort hast du Spieler mit langjähriger Erst- oder Zweitliga-Erfahrung. Klar würde es uns guttun, zwei bis drei routinierte Spieler im Kader zu haben, die die Jungen führen. Aber arrivierte Spieler sind in der Regel gesetzt, was gewisse Positionen zupflastern würde. Unsere Routiniers hatten heuer allesamt großes Verletzungspech. Max Sax oder Bright Edomwonyi etwa. Sie haben aber, sofern sie fit waren, vorbildlich im Training mitgearbeitet und immer versucht, die Jungen in ihren Entwicklungsschritten zu begleiten, dafür muss man ihnen Respekt zollen. Den Part des verlängerten Arms haben heuer etwa Raphael Schifferl, Matteo Meisl, Niels Hahn, Armand Smrcka oder Flo Fischerauer übernommen. Die meisten von ihnen spielen schon länger auf diesem Level. Auf sie kann ich mich verlassen.

Sportdirektor Manuel Ortlechner meinte erst neulich, es sei nicht Sinn und Zweck, über mehrere Jahre bei den Young Violets zu spielen. Seid ihr einer Meinung?

Ja. Es geht um Durchlässigkeit. Wir geben vielen Spielern die Chance, sich über die Violets für die Kampfmannschaft zu empfehlen. Das letzte Wort hierbei hat selbstverständlich Cheftrainer Manfred Schmid. Es ist definitiv nicht Sinn und Zweck, dass Spieler über Jahre hinweg bei den Young Violets spielen. Man muss spätestens nach 2,3 Jahren die Perspektivfrage stellen. Es wird im Sommer den einen oder anderen Spieler geben, der den Verein verlässt. Wenn ein Vertrag ausläuft, dann, weil es keine Perspektive mehr gibt.

Die Violets gelten als Durchlaufstation von der U18 zur Kampfmannschaft. Wie verläuft die Akkordierung zwischen Akademie und Young Violets?

Es gab heuer diesbezüglich vier Personen, die in engem Austausch standen: Akademieleiter Florian Mader, U18-Trainer Joachim Standfest, Entwicklungs-Coach Christoph Glatzer und ich. Wir analysieren die Entwicklungsstände einzelner Spieler, sehen viele Trainings, möglichst alle Spiele. Dadurch bekommen wir ein rundes Bild.

Im Sommer haben wir vier Wochen Vorbereitung, während der wir AKA-Spieler testen können. Dabei wird sich herauskristallisieren, wer schon so weit ist, um auf Profi-Ebene reüssieren zu können, und wer noch Zeit braucht. Die Spieler brauchen Matchpraxis. Wir müssen uns entscheiden: Ist es für seine Entwicklung besser, ihn bei den Violets mittrainieren zu lassen, auch wenn er vielleicht nur auf der Bank sitzt? Oder hat er mehr davon, wenn er in der Akademie noch ein Jahr möglichst viele Spiele bestreitet? Schadet ihm das Profilevel in seiner Entwicklung womöglich mehr als es ihm nutzt? In dem Alter sind die Entwicklungsstufen oft höchst unterschiedlich. Wir brauchen Zeit, um zu evaluieren, wer bereit ist.

Wie beurteilst du die Profi-Performance der Akademiespieler vom letzten Jahr?

Wir haben viele Spieler ins kalte Wasser des Erwachsenenfußballs werfen müssen, bei manchen ist es gutgegangen, die haben sich rasch eingelebt und gut entwickelt, bei manchen kam es noch zu früh. Man kann nicht von den Spielern erwarten, dass sich alle gleich schnell entwickeln. Die individuellen Unterschiede sind zu groß. Dazu kam, dass wir uns schon recht früh im Abstiegssumpf befanden, das ist gerade für junge Spieler nicht einfach.

Wieviel Psychologe steckt dahingehend in Harald Suchard?

Wir müssen natürlich emotional auf Spieler einwirken. Das geht vor allem über Einzelgespräche. Du musst jungen Spielern immer Rückmeldung geben, ihnen Ursache-Wirkung erklären. Nach negativen Erlebnissen müssen wir die Spieler bei Bedarf an der Hand packen und ihnen aus Situationen heraushelfen. Prinzipiell wollen wir ihnen immer das Gefühl der Wertschätzung geben, auch wenn einmal ein Anderer den Vorzug bekommt. So ist das später auch im Profigeschäft. Das Lernen, mit Höhen und Tiefen gleichermaßen gut umgehen zu können, dafür gibt es uns, dafür gibt es die Young Violets.

Du warst jahrelanger Akademietrainer, Akademieleiter, trainierst teilweise Teenager. Wie hat sich die Fußballwelt vor allem für junge Spieler in den letzten zehn Jahren gewandelt?

Was sich definitv geändert hat, ist das Mehr an äußeren Einflussfaktoren. Die Rolle der digitalen Welt, der sozialen Medien, ist enorm. Viele Spieler halten sich dort mehr auf als in der realen Welt. Gemeinsam mit der Familie und dem Management können dadurch schneller Zerrbilder entstehen, vor allem in punkto Selbstwahrnehmung. Wir als Trainer dürfen die Spieler nicht dieser teils künstlich dargestellten Welt überlassen, sondern müssen ihnen beibringen, was es bedeutet, ein Fußballprofi zu sein. Leistungssport hat dahingehend viele schöne, aber auch eiskalte und harte Seiten.

Es gibt Beispiele von viel gelobten Jung-Spielern, die dann nicht so performten wie erhofft. Andererseits gibt es Spieler, die mehr oder weniger aus dem Nichts kamen und sofort bundesligatauglich waren, wie etwa Ziad El-Sheiwi.

Als Trainer läufst du oft Gefahr, Spieler vorzeitig abzustempeln. In meiner Erfahrung kannst du bei 16-, 17-, 18-Jährigen kaum endgültige Prognosen anstellen, weil sich in diesem Alter so wahnsinnig viel verändern kann. Der Spieler kann sich menschlich verändern. Jemand der zuerst den Lässigen markiert hat, kann plötzlich den Schalter finden. Und umgekehrt: Fokussierte, zielstrebige Spieler verlieren den Faden plötzlich. Wichtig ist, die Spieler vor Extremen zu schützen, die ja teilweise auch von Medien oder Managements ausgehen. Die Spieler brauchen Sicherheit, Wertschätzung, Augenhöhe. Ein Paket, mit dem sie etwas anfangen können. Wir müssen ihnen einen Median vermitteln, aber gleichzeitig zeigen, dass Ausreißer in dem Alter etwas Natürliches sind. Dass jemandem komplett den Faden verliert, hätte ich in meiner Funktion als Violets-Trainer in der Form noch nicht erlebt. Da hat die Austria einfach eine zu gute Infrastruktur, gerade wenn man die schulische Begleitung bedenkt, die ja auch einen gewissen Halt gibt.

Welcher Spieler hat dich in deiner Laufbahn als Violets-Coach bisher am meisten überrascht?

Patrick Wimmer wäre ein Musterbeispiel. Er ist aus der Landesliga zu den Violets gekommen, zu den Profis weitergehüpft, ist zu Bielefeld gewechselt und jetzt bei Wolfsburg angekommen. Und das im Jahrestakt. Über allem stand sein unbedingter Wille, dazu zu lernen. Er hat einen irrsinnigen Ehrgeiz und war körperlich immer in einer Top-Verfassung. Das zusammengezählt hat ihn zu einem absoluten Senkrechtstarter gemacht. Das Beispiel Wimmer zeigt auch, wie schnell es gehen kann, wenn man den Step Young Violets richtig zu nutzen weiß.

Richten wir den Fokus auf die kommende Spielzeit. Stichwort Kaderplanung, wo siehst du Verbesserungspotenzial?

Wir sind letzte Woche mit dem Sportdirektor zusammengesessen und haben eine ausführliche Analyse abgegeben, in der wir unsere Fehler aus der letzten Saison Punkt für Punkt ansprechen. Ob wir als Trainerteam, die Spieler, oder die Vereinsseite, alle haben ihren Teil zum Erfolg beizutragen. Für kommende Saison würde ich mir klarerweise zwei ausgewogene Kader wünschen.

Gibt es eine Zielsetzung für kommende Saison?

Für uns als Trainerteam steht die Entwicklung jedes einzelnen Spielers an erster Stelle. Im Idealfall führt das zu vielen Siegen und dem Klassenerhalt.