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09.01.2024

„Entwicklungen verlaufen nie linear!“ Manuel Weber im Interview

Seit Sommer trainiert Manuel Weber die U15-Mannschaft der Veilchen. Der 36-jährige Sportwissenschafter ist im Besitz der Elite Junioren A-Lizenz und hat einen Mastertitel in „Training und Sport“. 2018 erschien sein in Fachkreisen vielgelobtes Buch „Taktische Periodisierung“, das sich mit Trainingssteuerung befasst. „Eine gute Initialzündung für meine Trainerkarriere“, findet Weber. Im Interview erzählt der Burgenländer von seinem Werdegang, von pädagogischen Herausforderungen im Jugendfußball und erklärt, warum der „richtige Akademiefußball in der U15 beginnt.

Manu, du warst bereits im zarten Alter von 23 Jahren Spielertrainer bei deinem Heimatverein. War der Trainerjob schon immer ein Traum von dir?
Mit 20 war das definitiv noch kein Thema. Das hat sich alles erst im Zuge meiner Berufswahl herauskristallisiert. Ich bin Burgenländer und hab‘ damals gerade Sportwissenschaften studiert. Bei meinem Heimatverein Lutzmannsburg wurde ein Trainer gesucht. Ich hab von Anfang an gemerkt, dass mir das taugt und war dann sechs Jahre als Spielertrainer dort. Von da an habe ich mich immer weiter vertieft. Ich bin dann von Lutzmannsburg zu Oberpullendorf gewechselt und von dort aus weiter in die Akademie Burgenland. Taki (Austria-Akademieleiter Manuel Takacs, Anm.) war dort damals Akademieleiter und hat mich verpflichtet.

Du warst drei Jahre als Co-Trainer in der Akademie Burgenland (U15) und bist in der Saison 2022 als Athletiktrainer zur SV Ried gewechselt. Wie war der Sprung in den Erwachsenenfußball für dich?
Der ehemalige Ried-Trainer Christian Heinle hat mich kontaktiert, nachdem er mein Buch gelesen hat. Mit Co-Trainer Clemens Zulehner hab‘ ich damals die Elite Junioren A-Lizenz gemacht. In Ried war es dann eine sehr turbulente Saison mitsamt Trainerwechsel. Leider konnten wir den Abstieg nicht verhindern. Aber für mich war dieses Jahr extrem lehrreich.

„Den Jungs bleibt kaum Zeit außerhalb der Blase. Das muss man als Trainer einfach im Blick haben."

Im Sommer kam das Angebot der Austria. Warum wolltest du wieder in den Jugendfußball zurück?
Das hatte mehrere Gründe. Ich habe zwei kleine Kinder, die ich während meiner Ried-Zeit nur einmal pro Woche gesehen habe. Ich wollte einfach wieder näher an meiner Familie sein und habe etwas Längerfristiges gesucht. Die Austria ist ein großer Verein und ich hatte noch immer Kontakt mit Taki, der mittlerweile als Akademieleiter bei der Austria engagiert worden war. Es hat sich für mich bisher immer zum richtigen Zeitpunkt das Richtige ergeben. Mein Bauchgefühl hat mich noch nie enttäuscht. Ich fühle mich hier extrem wohl. Der Verein ist hochprofessionell aufgestellt und zwischenmenschlich läuft auch alles großartig.

Gibt es etwas, dass dir bei der täglichen Arbeit mit den Jungen besondere Freude macht?
Im jetzigen 2009er-Jahrgang haben wir einige sehr interessante Charaktere dabei, die alle menschlich top sind und im letzten Halbjahr irrsinnige Entwicklungssprünge gemacht haben. Diese Sprünge hautnah mitzuerleben, gibt Energie für die täglichen Herausforderungen.

Mit 14- oder 15-jährigen zusammenzuarbeiten ist ja noch einmal etwas Anderes als mit 17-oder 18-jährigen. Welche pädagogischen Herausforderungen hat man als Jugend-Coach?
Man darf nie vergessen, wie hoch die Belastung der Jungs ist. Sie müssen in der Schule Leistung bringen, sie müssen auf dem Platz Leistung bringen. Es bleibt ihnen in Summe kaum Zeit außerhalb der Blase. Das muss man als Trainer einfach im Blick haben, wenn man einen Draht zu ihnen aufbauen möchte. Wenn du empathisch bist, öffnen sie sich auch. Und nur wenn sie offen sind, können sie mit Fokus und Konzentration an sich arbeiten und sich täglich weiterentwickeln. Entscheidend sind nicht nur die Fähigkeiten, die sie bereits haben, sondern vor allem die Bereitschaft, immer besser werden zu wollen.

„Es gibt Spieler, die plötzlich mit 16 oder 17 einen Riesensprung machen."

Gibt es potenzielle Konfliktpunkte?
Das ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Ein Thema ist sicher Spielzeit. Natürlich will man in diesem Alter jede Minute auf dem Platz stehen. Ich habe 17 Feldspieler und zwei Torhüter, es gibt also einige, die sich anstellen müssen. So etwas kann über kurz oder lange zu Unzufriedenheit werden. In Gesprächen mit den Spielern selbst - aber auch in den Entwicklungsgesprächen mit Spielern und den Eltern – versuchen wir, diese Themen sachlich und wertschätzend zu besprechen. Nur so können sie Verständnis für ihre Situation aufbringen.

Wie sinnvoll ist es, zum jetzigen Zeitpunkt Prognosen abzugeben, wer aus deinem Team das Zeug zum Profi hat?
Es gibt natürlich Spieler in der jetzigen Mannschaft, die Schlüsselrollen haben und wöchentlich eine gute Performance auf den Platz bringen. Aber jetzt schon übers Profi-Dasein zu reden, wäre zu früh. In meinem Jahrgang gibt es neun Spieler, die in einem Nationalteam dabei sind oder zu Sichtungstrainings eines Nationalteams einberufen wurden. Aber auch für diejenigen, die nicht dorthin eingeladen werden, ist es zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls spät. Es gibt Spieler, die aktuell weniger zum Zug kommen, aber auch sie können plötzlich mit 16 oder 17 einen Riesensprung machen. Entwicklungen verlaufen nie linear.

„Das Playbook ist auch für die Spieler wie eine einheitliche Sprache. Sie wissen in jeder Altersstufe, was zu tun ist."

Gibt es eine Output-Quote, die ihr als Trainer zu erfüllen habt? Zum Beispiel: „50% deines Teams müssen es in die nächsthöhere Altersstufe schaffen“?
Alle aus meinem Team haben den Traum, einmal Profifußballer zu werden. Es ist natürlich hart, wenn man weiß, dass nur ein kleiner Prozentsatz dieses Ziel erreichen wird. Prinzipiell sollen es aber alle von der U15 einmal in die U16 schaffen.

Würdest du sagen, dass der Sprung in die U15 der erste, richtungsweisende Schritt in Richtung Fußballprofi ist?
Ja. Der „richtige“ Akademiefußball beginnt in der U15. Ein guter Teil des aktuellen Kaders besteht aus eigenen U14-Spielern. Zudem sind einzelne Spieler von außen dazugestoßen. Man merkt, dass der Druck damit noch einmal zunimmt. Meistens haben die Spieler in dieser Phase ihres Lebens auch noch einen Schulwechsel. Dazu spielen sie plötzlich in einer landesweiten Jugendliga, messen sich mit Red Bull Salzburg, Rapid Wien und Sturm Graz. Da kommt da schon einiges zusammen.

Dein Team liegt nach 9 gespielten Runden auf Platz 7, hat aber teilweise drei Spiele weniger absolviert als der Rest. Wie würdest du den bisherigen Saisonverlauf bilanzieren?
Der 7. Platz hat aufgrund dieser Situation wenig Aussagekraft. Es zählt aber weniger die Platzierung, sondern vor allem die Entwicklung eines jeden einzelnen Spielers. Das geht indirekt mit den Ergebnissen einher, keine Frage. Wir haben alle Ligaspiele im Detail analysiert. Die Spielleistungen waren in allen Ligaspielen unabhängig vom Ergebnis sehr gut bis in Ordnung. Einige Spieler haben eine gute Entwicklung hinter sich. Wir haben ein Profil von jedem Kaderspieler und in den Entwicklungsgesprächen klare Verbesserungspotenziale definiert, an denen wir in den nächsten Wochen intensiv arbeiten werden.

Gab es aus deiner Sicht ein besonderes Highlight-Spiel?
Für die Jungs mit Sicherheit das Wiener Derby und die Woche danach. Wir waren in der ersten Halbzeit sehr gut im Spiel und plötzlich 0:2 hinten, haben das Spiel auf 3:2 gedreht, am Ende stand es 3:3. Da waren alle Emotionen dabei, die du in 80 Minuten unterbringst (Die Spielzeit von U15-Meisterschaftsspielen beträgt 80 Minuten, Anm.). Die Woche darauf haben wir 4:1 in Graz bei Sturm gewonnen, die bis dahin eine sehr gute Saison gespielt hatten. Da haben die Jungs dann gesehen, dass sie mit den besten Teams mehr als nur mithalten können.

„Saison-Highlight war sicher das Derby. Da waren alle Emotionen dabei, die du in 80 Minuten unterbringst."

9 Spiele, 32 Tore, das ist ein Schnitt von 3,5 Toren pro Spiel. Blöd gefragt: Ist das dem jugendlichen Durst nach Toren geschuldet, oder bist du als Trainer ein Offensivliebhaber?
Allgemein fallen in den unteren Altersstufen mehr Tore. In unserem Fall hat das definitiv auch mit unserer Spielidee zu tun, weshalb wir bei erzielten Toren pro Spiel im Spitzenfeld der Liga sind. Wir versuchen den Ball hoch zu erobern - das ist in der U15 vermutlich noch einfacher – und den Gegner zu stressen. Je näher an der Box, desto kürzer ist der Weg zum Tor.

Gegen Red Bull gab es eine 1:5-Niederlage. Welche Lehren kann man aus solchen Partien ziehen?
Wir haben das Spiel wie jedes andere per Video analysiert. Es war extrem bitter, vor allem, weil wir die ersten 30 Minuten sehr dominant waren, ein reguläres Tor aberkannt bekamen und weitere sehr gute Chancen hatten. Ein Team wie Salzburg bestraft einfach jede Kleinigkeit. Obwohl du richtig gut mitspielst, steht es in der Halbzeit plötzlich 0:3. Es sind viele kleine Details, um die es geht. Die kannst du natürlich trainieren, aber das braucht Zeit. Ich denke, der Hauptunterschied lag vor allem in der Kompromisslosigkeit und Konsequenz der Salzburger.

Stichwort Playbook: Würdest du sagen, die einheitliche Spielweise trägt schon Früchte?
Für uns Trainer hat das Playbook einen extremen Mehrwert. Wenn wir uns zu den wöchentlichen Analysen treffen, reden wir alle vom Gleichen. Es ist wie eine einheitliche Sprache. Auch für die Spieler ist das langfristig natürlich sinnvoll, weil sie in jeder Altersstufe wissen, was zu tun ist.

In den letzten Tagen gab es intern einige Rochaden. U18-Trainer Christoph Witamwas ist als Co-Trainer zu St.Pölten gewechselt, Max Uhlig hat die Young Violets in Richtung Stripfing verlassen. Hast du persönliche Ziele, wohin du als Trainer einmal möchtest?
Mein einziges konkretes Ziel ist es, als Trainer immer besser zu werden. In meiner bisherigen Laufbahn hat sich zum richtigen Zeitpunkt immer der richtige Schritt ergeben. Ich würde jeden Schritt noch einmal gehen. Jetzt ist es meine erste Station als Cheftrainer im professionellen Jugendbereich. Du wirst ständig vor Aufgaben gestellt, aus denen du lernst. Mein oberstes Ziel ist es, mich als Trainer permanent weiterzuentwickeln, der Rest ergibt sich dann meistens von selbst.

Danke fürs Gespräch!