Young Violets |

06.12.2023

"Das Potenzial hier ist enorm!" - Max Uhlig im Interview

Max Uhlig ist jung, aber nicht unerfahren. Der 30-Jährige gebürtige Wiener heuerte 2015 bei der Austria an und durchlief in den vergangenen acht Jahren beinahe alle Trainer-Stationen in der Akademie. Im Sommer kam das kurzfristige Angebot, die Young Violets als Cheftrainer zu übernehmen. Für Uhlig der nächste, logische Schritt und eine „Riesenehre“. Es klappte auf Anhieb: Die Young Violets überwintern als jüngste Mannschaft der Liga auf Platz Vier in der Regionalliga Ost. Im ausführlichen Interview erzählt Max Uhlig über seine Anfänge als Trainer, die Nachwuchsarbeit bei den Veilchen und was Philipp Hosiner „brennhaaß“ macht.

Raimund Nics

Max, du bist als gerade einmal 30-Jähriger bereits elf Jahre als Trainer tätig. Du selbst warst nie aktiv?
Uhlig:
Ich hab‘ immer gekickt, war aber eher in den unteren Ligen unterwegs. Nachdem ich mein Sportstudium begonnen hatte, dachte ich mir oft, bevor ich da jetzt drei Mal die Woche zu einem Training fahre, das ich selbst besser gestalten könnte, könnt‘ ich ja eigentlich gleich Trainer werden. Mein jüngster Bruder hat damals bei der Admira im Nachwuchs gespielt. Ich war dort öfters zuschauen und hab‘ irgendwann nachgefragt, ob sie jemanden suchen. Nach zwei Jahren bei der Admira hat mich Ralf Muhr zur Austria geholt. Ich hab‘ daraufhin die gesamte Akademie durchlaufen. Für mich ist das Trainer-Amt ein großes Privileg. Aber ich habe auch hart dafür gearbeitet. Wenn andere im Sommerurlaub waren, hab‘ ich mit den Jüngsten Turniere ausgetragen. Ich habe viel investiert und bin dafür jetzt von der Austria belohnt worden.

Die Young Violets liegen nach 16 gespielten Runden auf Platz 4 in der Regionalliga Ost. Wie fällt dein Resümee für die Herbstsaison aus?
Uhlig:
Da würde ich gerne an den Anfang der Saison zurückgehen. Es war alles sehr kurzfristig. Wir wussten nicht, ob die Young Violets die Liga halten oder nicht. Dann kam die Kooperation mit Stripfing zustande, ich bekam das Angebot als Cheftrainer der Violets. Es war ein hoher Zeitrdruck. Als U16-Trainer war ich noch bis 11. Juni im Meisterschaftsbetrieb, zwei Wochen später wäre die Regionalliga-Saison losgegangen. Ich habe mir gesagt, wenn es wirklich die Möglichkeit gibt, die Young Violets zu trainieren, dann muss ich das auf alle Fälle machen. Ich bin jetzt das neunte Jahr bei der Austria. Der Schritt hat sich für mich von der ersten Sekunde an richtig angefühlt.

Zu Saisonbeginn mussten wir unser Lehrgeld zahlen, da hatten wir teilweise Gegner mit viel Routine, die dich speziell über Standards bestrafen. Aber es war bemerkenswert, wie schnell sich die Jungs an das Tempo angepasst haben, wie stabil sie waren. Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, hat mir imponiert. Dass wir jetzt als Vierter überwintern ist schon richtig gut, das genießen wir jetzt.

Es ist deine erste Saison im „Erwachsenenfußball“. Hat sich dadurch für dich in deiner Arbeit etwas wesentlich verändert? Was sind deine Eindrücke von der Regionalliga Ost?
Uhlig: Da oben beschäftigst du dich wahrscheinlich noch intensiver mit mannschaftstaktischen Dingen oder Standard-Situationen. Die spielen in der U15 gefühlt noch nicht so eine große Rolle. Wir haben einen extrem jungen Kader, teilweise sind unsere Spieler dann noch einmal 1,2 Jahre jünger als die von Rapid II. In der Regionalliga hast du einen Mix aus ehemaligen Top-Spielern, die ihre Karriere ausklingen lassen und aus ex-Akademiespielern von Austria, Rapid oder der Admira, die in ihrer Entwicklung aber schon viel weiter sind als meine Mannschaft. Bei manchen Kadern denkst du dir schon, puh, ob wir da mithalten können? Wir haben uns aber nie allzu viel mit einzelnen Spielern des Gegners beschäftigt, sondern geschaut, dass wir unseren mutigen Offensivfußball auf den Platz zu bringen. Je besser wir das als Mannschaft geschafft haben, desto leichter fiel es den einzelnen Spielern. Da war es dann egal, welche Namen der Gegner aufbietet.

"Es macht mir Freude, wenn ich sehe, welche Jungs da nachkommen!"

Gottfried Wittmann

Ist die Infrastruktur in der Regionalliga für dich und die Spieler ein Upgrade zum Jugendfußball oder ein Downgrade zu dem, was man von der Bundesliga kennt?
Uhlig:
Es gibt innerhalb der Liga riesige infrastrukturelle Unterschiede. Da klafft noch einmal eine große Lücke zu Liga Zwa. Wir spielen gegen Rapid II auswärts im Allianz-Stadion, dann wieder am Viktoria-Platz auf Kunstrasen. Das sind völlig unterschiedliche Bedingungen in ein und derselben Liga. Mir taugt das. Auch für die Spieler ist das ein lehrreicher Zwischenschritt. Sie sehen, es ist nicht immer alles durchprofessionalisiert und perfekt. Rundherum passieren einfach Dinge, mit denen du umgehen musst. Direkt vor unserem letzten Spiel traten die U12-Mädchen auf Kunstrasen gegeneinander an, im Kabinentrakt gings drunter und drüber, es wurde laut Musik gespielt. Man muss klar bleiben im Kopf. Die Regionalliga ist dafür eine gute Schule.

Der Violets-Kader wurde nach dem Abstieg aus Liga Zwa komplett umgekrempelt. Ihr seid mit fünf Punkten aus den ersten fünf Spielen durchwachsen in die Saion gestartet, habt dann im September eine beeindruckende Siegesserie hingelegt. Lag das an den Gegnern oder hat sich die Mannschaft erst in der Liga akklimatisieren müssen?
Uhlig: Die Sommer-Vorbereitung war kurz. Die U18-Akademiespieler, die bis Mitte Juni noch Meisterschaft gespielt haben, sind ja alle noch in Ausbildung, ob Schule oder Lehre. Es konnte keiner so wirklich Urlaub machen. Insgesamt waren es nur knapp vier Wochen bis zum ersten Spiel gegen die Viktoria. Wir haben vor eigenem Publikum 3:1 gewonnen, dann gegen Marchfeld 0:0 gespielt. Die vier Punkte aus den ersten zwei Spielen waren dann schon einmal eine Ansage: Uns darf man nicht unterschätzen! Wir hatten dann aber mit Rapid II oder Leobendorf Partien, wo auch die Spieler das Gefühl bekamen: Ok, wir geben 100 Prozent, aber es reicht nicht, weil der Gegner einfach stärker ist. Mit den vier Siegen im September konnten wir uns wieder von unten absetzen. Wir haben uns dadurch wieder mehr Ruhe erarbeitet.

Mit welcher Devise seid ihr als Trainerteam in die Saison gegangen? Gab es ein Saisonziel, dass ihr der Mannschaft vermittelt habt, oder war es eher ein „Jetzt konsolidieren wir uns einmal“?
Uhlig: Unser Ziel ist es, junge Spieler besser zu machen, ihnen eine Plattform im Erwachsenenfußball zu bieten. Die Endplatzierung spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Wir wollen uns in der Liga festsetzen, ohne an Platzierungen zu denken. Mit der Mannschaft haben wir das absichtlich nicht allzu ausführlich besprochen.

Mit Philipp Hosiner (34) und Daniel Scharner (26) als Quasi-Routinier hat man im Sommer zwei ältere Spieler verpflichtet, die beide sofort zu absoluten Leistungsträgern wurden. Wie wichtig sind die beiden auf und abseits des Spielfelds?
Uhlig: Das ist uns perfekt aufgegangen. Ich möchte da vielleicht auch noch Esad Bejic erwähnen, ein richtig guter Typ, der auch schon oben reingeschnuppert hat. Diese zentrale Achse Innenverteidiger, Sechser, Stürmer ist immens wichtig für unser Spiel. Aber sie sind nicht nur sportlich wichtig. Jungen Mannschaften fehlen oft die Führungsfiguren, da brauchst du auch jemanden für die Kabine. Spieler, die sonst eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn da waren, kommen jetzt eineinhalb Stunden früher und sagen: „Naja, der Hosi macht das ja auch!“ Aus Trainersicht ist das natürlich angenehm, weil vieles aus der Mannschaft selbst kommt und nicht alles vorgegeben werden muss. Gerade bei jüngeren Teams läufst du als Trainer immer Gefahr, dich aufzureiben.

11 Tore aus 16 Spielen. Auf "Hosi" ist Verlass.

Anne-Sophie Danner-Fellinger

Also ist Philipp Hosiner der verlängerte Arm des Trainerteams?
Uhlig:
Absolut. Auch für ihn war es eine neue Rolle. Er ist ein überragender Spieler mit internationaler Karriere, aber hatte bis jetzt noch keine Führungsrolle inne. Er hat seine Zeit gebraucht, um zu sehen „Was kann ich den Jungen sagen, was eher nicht, wann geh‘ ich ihnen auf die Nerven?“. Die Vertrauensbasis zwischen dem Trainerteam und Hosi ist überragend. Sein Engagement ist ein Wahnsinn. Er ist mit seinen 34 Jahren der ehrgeizigste Spieler der Mannschaft. Wenn er bei Torschuss-Übungen fünf Tore hintereinander macht und den sechsten versemmelt er, ist er brennhaaß. Das ist für die Jungen natürlich cool. Die sehen, das ist der Standard, den man als Profi haben muss.

Du warst von 2015 bis 2023 acht Jahre lang Jugendtrainer bei der Austria. Was hat sich in dieser Zeit in punkto Nachwuchsarbeit getan?
Uhlig: Wir entwickeln uns stetig weiter, vor allem im Nachwuchs- und Akademiebereich. Als ich begonnen habe, war nur der Cheftrainer in der Akademie vollzeitangestellt. Sein Co ging nebenbei arbeiten. Heute sind beide fix angestellt, du hast teilweise noch einen Videoanalysten dabei, dazu Sportwissenschafter und Physios. Dass sich diese Bereiche vergrößert haben, merkt man in der Akademie vor allem an der Büroauslastung. Wir sind modern geworden, spielerisch, taktisch, infrastrukturell. Großen Anteil daran hatte sicherlich auch Rene Glatzer, der als Akademieleiter damals inhaltlich viel anstieß.

Würdest du sagen, dass sich auch das Schnittstellen-Management und der Austausch zwischen den verschiedenen Teams verändert hat?
Uhlig: Absolut. Es ist ein Riesenvorteil, dass die Young Violets bei der Akademie eingegliedert sind. Es gibt einige Spieler, die am Freitag bei uns nur zu Kurzeinsätzen kommen, die dann aber am Samstag Leistungsträger in der U18 sind. Auch nach oben hin sind wir eng im Austausch mit Manuel Ortlechner, der ja für die sportliche Weiterentwicklung des Vereins zuständig ist, Stichwort: Playbook. Das wird immer besser umgesetzt. Wir haben einmal im Monat eine Sitzung, wo von der U15 bis zum Trainerteam der Kampfmannschaft und den sportlichen Verantwortlichen alle dabei sind und sich inhaltlich austauschen. Das hat sich sehr zum Positiven entwickelt, wir ziehen jetzt an einem Strang. Es gibt keinen Bruch mehr zwischen den Teams. Als ich hergekommen bin war mein Eindruck, dass hier gute Leute arbeiten, aber jeder sein eigenes Ding macht. Es war teilweise so, dass ein Spieler bei einem Trainer super gespielt hat und vom nächsten abgeschrieben wurde. Jetzt haben wir eine Definition, wie unser Fußball ausschauen soll und was das Austria-Spiel verkörpern soll. Natürlich sollen die Leute von unserer Art, Fußball zu spielen auch unterhalten werden.

Junge Trainergilde: Uhlig und sein "Co" Florian Hart.

Benjamin Koglbauer

Das Playbook versucht, ein einheitliches Spielsystem über den Verein zu stülpen. Wie viel Spielraum bleibt da für die individuellen Vorstellungen eines Trainers?
Uhlig:
Der Rahmen, in dem wir uns bewegen, ist klar abgesteckt. Es gibt natürlich Grenzen, aber innerhalb dieser Grenzen hast du schon viel Spielraum. Jeder Trainer ist ein Stück weit autonom und kann seine eigene Note mit reinbringen. In den monatlichen Meetings merke ich immer wieder, dass ein und dasselbe Thema sehr unterschiedlich interpretiert werden kann. Für die Spieler ist es aber wichtig, dass sie über die Jahre von ihren verschiedenen Trainern Dinge zu hören bekommen, die in dieselbe Richtung gehen.

Die Young Violets stellen die jüngste Mannschaft der Liga – was sind die Vorteile, was die Nachteile?
Uhlig: Ein großer Vorteil ist, dass bis auf 2,3 Spieler noch niemand aus meinem Team im Profibereich unterwegs war. Alle brennen darauf, diesen Schritt zu schaffen. Das ist eine Voraussetzung, wo du das Gefühl hast, du musst da niemanden mehr motivieren. Die Energie, die dadurch entsteht, ist immens wichtig. Alle sind lernwillig, es gibt noch keine festgefahrenen Muster oder Verhaltensweisen. Nachteilig sind natürlich die mangelnde Erfahrung und mitunter fehlt es uns noch an Cleverness. Gegen das Team Wiener Linien fingen wir uns aus einem Foulelfer das späte 0:1 und verloren. Der Elfer passiert einem 30-jährigen so wahrscheinlich nicht. Wir waren in dem Moment zu aggressiv, zu ungestüm. Trotzdem würde ich sagen, dass die positiven Dinge überwiegen.

Blicken wir ins Jahr 2025: Welche Spieler aus der jetzigen Mannschaft haben das Potenzial das Spiel der künftigen Wiener Austria zu prägen?
Uhlig: Schwierig. Man muss auf die Jahrgänge schauen. Das hat man nicht immer am Schirm, wenn man den Nachwuchsbereich nicht intensiv verfolgt. Wenn du zwischen 16 und 20 Jahre alt bist, ist es extrem, wie viel ein Jahr in der Entwicklung ausmacht. Mir macht es Freude, wenn ich in Richtung der U16 schaue, dass auch von den 2007ern und 2008ern auch richtig gute Jungs nachkommen. Wäre die U16-Liga fertig gespielt worden, wären die Jungs Herbstmeister geworden. Wir haben da einen Pool von vielen Spielern, wo man das Gefühl hat, die stoßen nach und können bald bei uns reinschnuppern. Das Potenzial in der Akademie ist enorm.

Namen möchtest du keine nennen?
Uhlig: Die kann man bei mir wahrscheinlich am besten anhand der Spielzeit ablesen. Sanel Saljic war immer Fixstarter. Osman Abdi hat als 2006er-Jahrgang quasi alle Partien gespielt. Das sind schon Ausrufezeichen. Aber ich will niemanden zu hoch loben, das kann ganz schnell wieder in die andere Richtung gehen. Wir müssen am Boden bleiben.

Gab es für dich persönlich ein Highlight?
Uhlig: Einige. Für mich war es eine Riesen-Ehre, das Traineramt zu übernehmen und ich hab‘ eine extreme Freude daran, die Jungs spielen zu sehen. Vom Sommer bis jetzt hat sich für mich vor allem mit den beiden Spielen gegen die Wiener Viktoria ein Kreis geschlossen. Durch das 3:2 in der letzten Runde haben wir uns auf den vierten Platz geschoben. Alle waren happy, die Fans sind nach dem Match auf den Platz gelaufen, haben die Spieler umarmt. Auch das Favoritner Derby (4:1 gegen FavAC, Anm.) wird mir in Erinnerung bleiben.

Danke fürs Gespräch!